Syrisches Eherecht
Die folgenden Bestimmungen finden grundsätzlich auf alle (muslimischen) Syrer Anwendung. Einige abweichende oder ausschließlich eigene religiöse Bestimmungen gelten für Drusen, Christen und Juden sowie für die Eheschließung mit Ausländern.
Personalstatutsgesetz v. 1953 (PSG)1
Erstes Buch: Die Ehe (Art. 1 – 84)
Zweiter Titel: Wesentliche Elemente und allgemeine Voraussetzungen der Eheschließung (Art. 5 – 46)
Art. 5
Die Ehe wird durch das Angebot (îjâb) des einen und die Annahme (qabûl) dieses Angebotes durch den anderen
Verlobten geschlossen.
Art. 6
Das Eheangebot und die Annahme erfolgen entweder wörtlich oder durch Verwendung von Formulierungen, die üblicherweise in
diesem Sinne verstanden werden.
Art. 7
Angebot und Annahme können schriftlich erklärt werden, falls eine der beiden Vertragsparteien abwesend ist.
Art. 8
(ÄndG Nr 4/2019 v 7.2.2019, alle Fassungen)
(1) Bei der Eheschließung ist die unbeschränkte (wikâla mutlaqa) und die beschränkte (muqayyada) Stellvertretung zulässig.
(2) Der Vertreter (wakîl) kann die Vertretene nicht mit sich selbst oder mit einem seiner Verwandten in auf- oder absteigender Linie verheiraten, außer wenn diese Möglichkeit ausdrücklich in der Vollmacht bestimmt ist.
Art. 9
Überschreitet der Vertreter die Grenzen seiner Vertretungsmacht, ist die Eheschließung, wie im Falle der Geschäftsführung
ohne Auftrag, bis zur Genehmigung des Vertretenen schwebend unwirksam.
Art. 10
Ein Sprachbehinderter erklärt das Angebot und die Annahme in schriftlicher Form, sofern er des Schreibens kundig ist, anderenfalls
durch ein allgemeinverständliches Zeichen.
Art. 11
(1) Das Angebot und die Annahme müssen in allen Punkten übereinstimmen und in ein und derselben Zusammenkunft erklärt werden;
auch muss jeder Beteiligte die Worte des anderen hören und dabei begreifen, dass es um eine Eheschließung geht. Weiter dürfen
auf keiner Seite Gründe vorliegen, die das Vertragsangebot vor der Annahme nichtig machen.
(2) Das Angebot erlischt vor der Annahme, wenn der Anbietende die geforderte Geschäftsfähigkeit verliert oder wenn eine Partei sich erkennbar von dem Angebot distanziert.
Art. 12
(1) Für die Wirksamkeit (sihha) der Eheschließung bedarf es der Anwesenheit zweier männlicher Zeugen oder eines Mannes und zweier
Frauen, welche sämtlich islamischen Glaubens sind, geistige und körperliche Reife aufweisen und das Angebot und die Annahme
hören sowie begreifen, was damit beabsichtigt wird.
(2) (ÄndG Nr 4/2019 v 7.2.2019, alle Fassungen) Verheiratet der Vater seine erwachsene und geistig reife Tochter auf ihren Wunsch hin und ist sie bei der Eheschließung selbst anwesend, ist die Eheschließung bei Anwesenheit eines einzelnen männlichen Zeugen oder zweier weiblicher Zeuginnen, zusätzlich zum Vater, wirksam.
(3) (ÄndG Nr 4/2019 v 7.2.2019) Einer der Zeugen kann der Religionsgemeinschaft der Ehefrau angehören.
(4) (ÄndG Nr 4/2019 v 7.2.2019) Die Bezeugung (shahâda) der Ehe durch direkte Vorfahren und Abkömmlinge der Ehegatten ist zulässig.
Art. 13
Die Eheschließung ist unwirksam, wenn sie an einen künftigen Termin gebunden ist oder an eine aufschiebende Bedingung (shart) geknüpft wird.
Art. 14
(ÄndG Nr 4/2019 v 7.2.2019, alle Fassungen)
(1) Der Ehemann und die Ehefrau können die Ehe unter bestimmten Bedingungen (shurût) schließen, wenn diese nicht dem islamischen Recht und dem Gesetz widersprechen.
(2) Wird die Ehe unter einer Bedingung geschlossen, die mit dem Wesen der islamischen Ehe oder ihrem Zweck unvereinbar ist, ist die Bedingung nichtig (bâtil) und die Eheschließung wirksam (sahîh).
(3) Es sind nur solche Bedingungen, die ausdrücklich im Eheschließungsvertrag erwähnt sind, zu berücksichtigen.
(4) Erleidet einer der Ehegatten durch die Verletzung einer wirksamen Bedingung einen Schaden, kann er die Auflösung (faskh) der Ehe fordern.
Art. 15
(1) Die Ehefähigkeit (ahlîyat az-zawâj) setzt geistige Reife (´aql) und Geschlechtsreife (bulûgh)
voraus.
(2) Die Eheschließung eines psychisch Kranken (majnûn) oder geistig Eingeschränkten (ma´tûh) kann richterlich genehmigt werden, wenn eine Kommission von Psychiatern feststellt, dass die Ehe seine Genesung begünstigt.
Art. 16
(ÄndG Nr 20/2019 v 27.6.2019, alle Fassungen)
Der Mann und die Frau sind mit Vollendung des 18. Lebensjahres ehemündig.
Art. 17 (ÄndG Nr 34/1975 v 31.12.1975, alle Fassungen)
Der Richter stimmt nur dann der Eheschließung eines bereits verheirateten Mannes mit einer weiteren
Frau zu, wenn hierfür ein legitimer Grund (musawwigh shar´î) vorliegt und der Ehemann imstande
ist, den Unterhalt (nafaqa) beider Frauen zu bestreiten.
Art. 18
(1)
(ÄndG Nr 4/2019 v 7.2.2019, alle Fassungen)
Hat ein Jugendlicher oder eine Jugendliche das 15. Lebensjahr vollendet und beantragt er oder sie die Eheschließung, mit der Behauptung geschlechtsreif zu sein (bulûgh), genehmigt der Richter dies, sofern die vorgebrachten Angaben stimmen, die körperliche Reife nachgewiesen ist sowie ihnen die Wirkungen und Folgen der Ehe (huqûq az-zaujîya) bekannt sind.
(2) Ist der Ehevormund der Vater oder der Großvater, so bedarf es deren Zustimmung.
Art. 19
Passen die Verlobten altersmäßig nicht zusammen und liegt kein (besonderer) Nutzen in der Eheschließung, kann der Richter
die Genehmigung zur Eheschließung versagen.
Art. 20
(ÄndG Nr 20/2019 v 27.6.2019, alle Fassungen)
Möchte eine Frau, die das 18. Lebensjahr vollendet hat, die Ehe eingehen, fordert der Richter ihren Ehevormund unter Fristsetzung
von höchstens 15 Tagen zu einer Stellungnahme auf. Widerspricht der Ehevormund nicht oder ist sein Widerspruch unbeachtlich,
genehmigt der Richter ihre Eheschließung unter der Voraussetzung der Ebenbürtigkeit (kafâ`a) und der Leistung einer üblichen Brautgabe.
Art. 21
(1) Ehevormund (walî az-zawâj) ist der nächste männliche Verwandte aus der
väterlichen Linie nach der Rangordnung in der agnatischen Erbfolge (´asaba), vorausgesetzt,
er ist mit der Frau in einem die Ehe ausschließenden Grad verwandt (mahram).
(2) (ÄndG Nr 4/2019 v 7.2.2019, alle Fassungen) Verheiratet der Ehevormund ein Mädchen ohne seine Zustimmung und erlangt es Kenntnis davon, ist die Eheschließung bis zu der ausdrücklichen Genehmigung (ijâza) durch das Mädchen schwebend unwirksam (mauqûf).
Art. 22
(1)
(ÄndG Nr 4/2019 v 7.2.2019, alle Fassungen) Der Ehevormund muss geistig und körperlich reif und voll geschäftsfähig sein.
(2) Sind zwei zur Ehevormundschaft berufene Männer im selben Grade mit der Frau verwandt, kann jeder von ihnen als Ehevormund tätig werden, wenn er die dafür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt.
Art. 23
(ÄndG Nr 4/2019 v 7.2.2019, alle Fassungen)
(1) Ist der erstberufene Ehevormund abwesend und ist der Richter der Ansicht, dass ein Abwarten seiner Stellungnahme den
Nutzen der Ehe gefährdet, geht die Ehevormundschaft auf den in der Rangordnung nächsten Verwandten über, vorausgesetzt, der
Ehemann ist ebenbürtig.
(2) Gibt es keinen männlichen Verwandten aus der väterlichen Linie nach der Rangordnung in der agnatischen Erbfolge, geht die Ehevormundschaft auf die Mutter über, wenn sie die Voraussetzungen zur Ehevormundschaft erfüllt und der Ehemann ebenbürtig ist und mindestens die übliche Brautgabe vereinbart wird.
Art. 24
Hat eine Frau keinen Ehevormund, so übernimmt der Richter diese Funktion.
Art. 25
Der Richter darf ein Mädchen, dessen Ehevormund er ist, weder mit sich selbst noch mit einem seiner Verwandten in auf- oder
absteigender Linie verheiraten.
Art. 26 (ÄndG Nr 4/2019 v 7.2.2019, alle Fassungen)
Voraussetzung für die bindende Wirkung (luzûm) der Ehe ist:
(1) dass der Mann der Frau ebenbürtig ist;
(2) dass die Frau dem Mann ebenbürtig ist, falls der Mann sich bei seiner Eheschließung ohne Beschränkungen vertreten lässt.
Art. 27
Schließt eine erwachsene Frau (kabîra) ohne Zustimmung ihres Ehevormundes eine Ehe, ist die Ehe wirksam,
sofern der Ehemann ihr ebenbürtig ist; andernfalls kann der Vormund die Auflösung der Ehe verlangen.
Art. 28
Die Ebenbürtigkeit richtet sich nach den Sitten und Gewohnheiten (´urf) der Region.
Art. 29
Das Erfordernis der Ebenbürtigkeit ist ein Recht der Frau und des Ehevormundes.
Art. 30
Das Recht, die Auflösung der Ehe wegen mangelnder Ebenbürtigkeit zu verlangen, erlischt, sobald die Frau schwanger wird.
Art. 31
Die Ebenbürtigkeit ist im Zeitpunkt der Eheschließung zu beurteilen; ihr späterer Wegfall findet keine Beachtung.
Art. 32
Wird die Ebenbürtigkeit des Ehemannes bei der Eheschließung ausdrücklich angenommen oder hat der Ehemann erklärt, dass er
der Frau ebenbürtig ist, und stellt sich nachher das Gegenteil heraus, können sowohl der Ehevormund als auch die Ehefrau
die Auflösung der Ehe verlangen.
A. Dauerhafte Eheverbote
Art. 33
Mit folgenden Personen ist die Eheschließung verboten: mit den Verwandten in auf- und absteigender Linie, mit den Abkömmlingen
der Eltern und mit den Abkömmlingen ersten Grades der Großeltern.
Art. 34
Dem Mann ist die Eheschließung mit folgenden Personen verboten:
1. mit der Ehefrau eines Aszendenten oder eines Deszendenten sowie mit weiteren Frauen, mit denen ein solcher Verwandter
geschlechtlich verkehrt hat (mautû`a).
2. mit den Aszendenten und Deszendenten der Frauen, mit denen er geschlechtlich verkehrt hat (mautû`a), sowie mit den Aszendenten seiner Ehefrau.
Art. 35
(1)
(ÄndG Nr 4/2019 v 7.2.2019, alle Fassungen) Die Milchverwandtschaft (ridâ´) wirkt gleichermaßen ehehindernd wie die Abstammung (nasab), außer gegenüber
den folgenden Personen:
(2) Das Stillen begründet ein Ehehindernis, wenn es während der ersten zwei Lebensjahre vorkommt, und zwar zu mindestens
fünf zeitlich voneinander getrennten Gelegenheiten, wobei der Säugling jedes Mal, unabhängig von der Milchmenge, gesättigt
wurde.
B. Temporäre Eheverbote
Art. 36
(1) Hat ein Mann die Ehe mit einer Frau bereits dreimal durch Scheidung aufgelöst, so ist ihm eine erneute Eheschließung
mit ihr nicht gestattet, es sei denn die gesetzliche Wartezeit (´idda) der Frau nach der
mit einem anderen Mann vollzogenen Ehe ist abgelaufen.
(2) Die Eheschließung einer geschiedenen Frau mit einem anderen Mann setzt die Anzahl der erklärten Scheidungen durch ihren ehemaligen Ehemann zurück, selbst wenn es weniger als drei waren. Schließt die Frau (Anm. der Übersetzer: nach Scheidung von dem anderen Mann) erneut die Ehe mit ihrem ehemaligen Ehemann, so hat dieser von neuem das Recht, die Ehe dreimal durch Scheidung aufzulösen.
Art. 37
Die Eheschließung mit einer fünften Frau ist dem Mann erst gestattet, wenn er die Ehe mit einer seiner vier Frauen durch
Scheidung aufgelöst hat und ihre Wartezeit verstrichen ist.
Art. 38
Verboten ist die Eheschließung mit der Ehefrau eines anderen und mit einer geschiedenen Frau, die sich innerhalb der Wartezeit
befindet.
Art. 39
Ein Mann kann nicht zwei Frauen heiraten, die so miteinander verwandt sind, dass sie einander nicht heiraten könnten, wenn
eine von ihnen ein Mann wäre. Besteht kein derartiges Hindernis, so ist die (Anm. der Übersetzer: gleichzeitige) Ehe
mit den zwei Frauen zulässig.
A. Die der Eheschließung vorausgehenden Formalitäten
Art. 40
(1)
(ÄndG Nr 4/2019 v 7.2.2019, alle Fassungen) Die Eheabsicht ist beim Bezirksgericht anzuzeigen; folgende Unterlagen sind hierfür erforderlich:
Wird die Ehe daraufhin nicht innerhalb von sechs Monaten geschlossen, erlischt die Zustimmung.
B. Die Formalitäten der Eheschließung
Art. 43
Die Durchführung des Eheschließungsverfahrens obliegt dem Richter oder einem von ihm ermächtigten Gerichtsassistenten.
Art. 45
(1) Der Gerichtsassistent trägt die Eheschließung in das Gerichtsregister für die Eheschließungen ein und übersendet eine Abschrift
der Registrierung innerhalb von zehn Tagen nach der Eheschließung an die Personenstandsbehörde.
(2) Die Abschrift befreit die Parteien von der Pflicht, die Personenstandsbehörde über die Eheschließung zu benachrichtigen. Der Gerichtsassistent ist für die ordnungsgemäße Übersendung der Abschrift verantwortlich.
(3) (ÄndG Nr 34/1975 v 31.12.1975, alle Fassungen) In gleicher Weise wird bei der Registrierung von Gerichtsentscheidungen über die Feststellung einer Ehe, einer Ehescheidung (talâq), einer Abstammung (nasab) und des Todes eines Verschollenen (mafqûd) verfahren. Die Personenstandsbehörde trägt dies in das jeweilige Personenstandsregister ein, ohne dass hierfür weitere Maßnahmen erforderlich wären.
Art. 46 (ÄndG Nr 4/2019 v 7.2.2019, alle Fassungen)
1 Gesetz Nr. 59 vom 17.09.1953, geändert durch Gesetz Nr. 34 vom 31.12.1975, Nr. 18 vom 25.10.2003, Nr. 76 vom 26.09.2010, Nr. 4 vom 07.02.2019 und Nr. 20 vom 27.06.2019.