Afghanisches Internationales Privatrecht

Zivilgesetzbuch v. 1977 (ZGB)1

Kapitel 1: Anwendung des Gesetzes
Teil 3: Örtlicher Anwendungsbereich des Gesetzes (Art. 16–35)

 

Art. 16
Tritt bei der Beurteilung einer Rechtsbeziehung eine Gesetzeskollision auf, ist das afghanische Recht anwendbar.

Art. 17
Für die Feststellung des Personenstandes und der Geschäftsfähigkeit von Personen kommt das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, zur Anwendung.
Bei vermögensrechtlichen Rechtsgeschäften, die in Afghanistan geschlossen wurden und deren Wirkungen sich in Afghanistan entfaltet haben und bei denen eine der Vertragsparteien ein beschränkt geschäftsfähiger ausländischer Staatsangehöriger war, die Beschränkung der Geschäftsfähigkeit jedoch nicht erkennbar war, gilt diese Person dennoch als voll geschäftsfähig.

Art. 18
In Bezug auf ausländische juristische Personen, wie etwa Gesellschaften, Vereinigungen, Einrichtungen und Ähnliches, kommt das Recht des Staates zur Anwendung, in dem ihr Verwaltungssitz liegt. Wird die Haupttätigkeit dieser juristischen Personen in Afghanistan ausgeübt, findet das afghanische Recht Anwendung.

Art. 19
In Bezug auf die materiellen Ehewirksamkeitsvoraussetzungen findet das Recht der Staaten Anwendung, deren Staatsangehörigkeiten die Ehegatten jeweils besitzen; in Bezug auf die formellen Ehewirksamkeitsvoraussetzungen finden die gesetzlichen Bestimmungen des Staates Anwendung, in dem die Ehe geschlossen worden ist.

Art. 20
(1) Auf die Ehewirkungen einschließlich der vermögensrechtlichen Angelegenheiten findet das Recht des Staates Anwendung, dem der Ehemann im Zeitpunkt der Eheschließung angehörte.
(2) Auf eine Scheidung durch Verstoßung findet das Recht des Staates Anwendung, dem der Ehemann im Zeitpunkt der Scheidung angehört.
(3) Auf die gerichtliche Scheidung und Trennung findet das Recht des Staates Anwendung, dem der Ehemann im Zeitpunkt der Klageerhebung angehört.

Art. 21
Ist bei den in den Artikeln 19 und 20 dieses Gesetzes genannten Fällen einer der Ehegatten bei der Eheschließung afghanische/r Staatsangehörige/r, kommt, mit Ausnahme der Feststellung der Rechtsfähigkeit, das afghanische Recht zur Anwendung.

Art. 22
In den Angelegenheiten der Vaterschaft, (gesetzlichen) Vormundschaft und weiteren Verpflichtungen zwischen Vätern und Kindern, kommt das Recht des Staates zu Anwendung, dem der Vater angehört.

Art. 23
Auf geschäftsunfähige, beschränkt geschäftsfähige sowie verschollene Personen ist das Recht des Staates anzuwenden, dem sie angehören. Auf die Ernennung eines Betreuers, auf den testamentarisch oder gerichtlich bestellten Vormund, den gesetzlichen Vormund und dergleichen finden die diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen sowie sonstige Gesetze, die zum Schutz der oben genannten Personen erlassen wurden, Anwendung.

Art. 24
Bezüglich der Unterhaltspflicht werden die Vorschriften des Staates angewendet, dem die unterhaltspflichtige Person angehört.

Art. 25
(1) In Bezug auf die Bestimmungen betreffend das Erbrecht, die letztwillige Verfügung und alle sonstigen Verfügungen von Todes wegen findet das Recht des Staates Anwendung, dem der Erblasser, der letztwillig Verfügende oder diejenige Person, in deren Rechtssphäre aufgrund ihres Todes eingegriffen wurde, angehört.
(2) Auf die Form der letztwilligen Verfügung kommt das Recht des Staates zur Anwendung, dem der Verfügende beim Errichten der letztwilligen Verfügung angehörte, oder das Recht des Ortes, in dem die letztwillige Verfügung errichtet wurde.
Diese Bestimmung gilt auch für die formellen Voraussetzungen der Wirksamkeit von sonstigen Verfügungen auf den Todesfall.

Art. 26
In Bezug auf den Erwerb von Eigentum und weiterer dinglicher Rechte kommt das Recht des Belegenheitsortes zur Anwendung. In Bezug auf bewegliche Sachen kommt das Recht des Ortes zur Anwendung, wo der Rechtsgrund, der zu ihrem Erwerb oder Verlust geführt hat, bestand.

Art. 27
In Bezug auf Verpflichtungen, die aus Verträgen resultieren, kommt das Recht des Staates zur Anwendung, in dem die Vertragsparteien ihren Aufenthalt haben. Im Falle der Unterschiedlichkeit der Aufenthaltsorte, kommt das Recht des Staates zur Anwendung, in dem der Vertrag abgeschlossen wurde. Dies steht unter der Voraussetzung, dass sich die Vertragsparteien weder auf die Anwendung eines bestimmten Rechts geeinigt haben, noch sich aus den Umständen ergibt, dass sie die Anwendung eines anderen Rechts beabsichtigten. Für Verträge über unbewegliche Sachen wird das Recht des Belegenheitsortes angewandt.

Art. 28
Auf die Form der Verträge kommt das Recht des Staates zu Anwendung, in dem der Vertrag abgeschlossen wurde.

Art. 29
(1) Bei außervertraglichen Verpflichtungen kommt das Recht des Staates zur Anwendung, in dem das Ereignis, welches die Verpflichtung begründet, eingetreten ist.
(2) Folgt die Verpflichtung aus einem Ereignis außerhalb Afghanistans und ist es dort rechtswidrig und wird es in Afghanistan für rechtmäßig gehalten, findet die Bestimmung des ersten Absatzes dieses Artikels keine Anwendung. 

Art. 30
In Bezug auf spezielle Regelungen und alle Angelegenheiten der Vollstreckung kommt das Recht des Staates zur Anwendung, in dem die Klage erhoben oder die Vollstreckung eingeleitet wurde.

Art. 31
Die Bestimmungen der vorherigen Artikel dieses Abschnitts sind nur anwendbar, wenn sie nicht gegen spezielle Gesetze oder in Afghanistan geltende internationale Abkommen verstoßen.

Art. 32
Sind im Falle einer Gesetzeskollision keine Vorschriften in den vorherigen Artikeln dieses Gesetzes zu finden, sind die Grundsätze des Internationalen Privatrechts anzuwenden.

Art. 33
Die Ermittlung des anwendbaren Rechts auf Personen, deren Staatsangehörigkeit unbekannt ist, obliegt dem Gericht.

Art. 34
In den Fällen, in denen die Anwendung des ausländischen Rechts vorgesehen ist, finden jene Bestimmungen des materiellen Rechts Anwendung, die nicht zum internationalen Privatrecht gehören.
Gibt es in dem Staat, dessen Recht berufen ist, mehrere Religionen, kommen die religiösen Bestimmungen nach dem Recht des betreffenden Staates zur Anwendung.  

Art. 35
Die Bestimmungen des ausländischen Rechts, die in den vorangegangenen Artikeln dieses Abschnitts erwähnt sind, finden nur in dem Maße Anwendung, in dem sie nicht im Widerspruch zur öffentlichen Ordnung oder den allgemeinen Sitten in Afghanistan stehen.



 


 

1Zivilgesetzbuch [qânûn-e madanî], Gesetzblatt Nr. 353 v. 5.1.1977, idF der Änderungsgesetze.

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