Deutsche Rechtsprechung zum nationalen und internationalen irakischen Familienrecht

Deutsche Rechtsprechung zum nationalen und internationalen irakischen Familienrecht

Weist ein Sachverhalt Beziehungen zu mehreren Rechtsordnungen auf, so bestimmt das deutsche internationale Privatrecht (IPR), das Recht welchen Staates zur Anwendung kommt.

Im internationalen Familienrecht kommt heute in erster Linie das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes der Parteien zur Anwendung. Es kann aber auch ausländisches Familienrecht berufen sein, wenn etwa zu beurteilen ist, ob eine Ehe, die im Ausland geschlossen wurde, wirksam ist. Desgleichen richtet sich etwa die Ehefähigkeit von Personen nach dem Recht ihrer Staatsangehörigkeit. Waren sie zum Zeitpunkt der Eheschließung Ausländer, kommt das Recht ihrer Staatsangehörigkeit (Heimatrecht) zur Anwendung.

Im Folgenden sind deutsche Urteile mit Bezug zum irakischen Recht aufgelistet.


Rechtsgebiet: Eherecht

1. Ehefähigkeitszeugnis für irakische Staatsangehörige

OLG Hamm, Beschluss vom 10. August 1973

Az.: 15 VA 1/73
Fundstelle: NJW 1973, 2158-2160

Themen: Eheschließung, Ehefähigkeitszeugnis

Leitsätze:
(1) Einem irakischen Staatsangehörigen, dessen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen auf deren Klage durch ein deutsches Gericht geschieden worden ist, kann keine Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses erteilt werden, wenn diese nach irakischem Recht noch verheiratet sind und keine Erlaubnis eines Kadi (Richter des religiösen Sheria-Gerichts) zur Eheschließung mit mehr als einer Frau sowie rechtmäßige Gründe hierfür vorliegen.
(2) Eine Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses wird nur Staatenlosen und Angehörigen solcher Staaten erteilt, deren innere Behörden keine Ehefähigkeitszeugnisse ausstellen, und kein in den Gesetzen des Heimatlandes begründetes Ehehindernis der Eheschließung entgegensteht. Der Irak hat keine Behörde zur Ausstellung des Ehefähigkeitszeugnisses.
(3) Die Grundsätze für die Erteilung oder Versagung der Befreiung sind aus dem Sinn und Zweck des § 10 EheG zu entnehmen. Sinn des Ehefähigkeitszeugnisses ist die Bescheinigung, dass der Eheschließung des ausländischen Staatsangehörigen ein in den Gesetzen des Heimatlandes begründetes Ehehindernis nicht entgegensteht. Das Gesetz will mit der Bestimmung des § 10 EheG vermeiden, dass eine Ehe geschlossen wird, die den Vorschriften des Heimatlandes eines der Verlobten nicht entspricht und folglich in dessen Heimatland nicht anerkannt wird.

2. Wirksamkeit der Eheschließung

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15. März 2017

Az.: 2 UF 236/15
Fundstelle: FamRZ 2017, 959-960

Themen: Eheschließung, Ehemündigkeit, Folgen bei Eheschließung eheunmündiger Personen

Leitsätze:
(1) Nach Art. 40 irak. PSG kann eine Ehe, die ohne Zustimmung des Richters vor Vollendung des 18. Lebensjahres geschlossen worden ist, gerichtlich auf Antrag einer Partei aufgelöst werden. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass diese Ehe trotz fehlender Ehemündigkeit eines Ehegatten wirksam geschlossen ist.
(2) Die Registrierung der Eheschließung nach Maßgabe des Art. 10 irak. PSG wirkt nur deklaratorisch; die Ehe ist auch ohne Eintragung wirksam.

VG Sigmaringen, Beschluss vom 5. Dezember 2011

Az.: A 1 K 677/10
Fundstelle: BeckRS 2012, 51514

Themen: Zu den Anforderungen an eine gültige Eheschließung im Irak, Eheschließung ohne Mitwirkung staatlicher Stellen

Leitsätze:
(1) Im Irak kann eine gültige Ehe auch ohne staatliche Mithilfe, unter Hinzuziehung zweier Zeugen geschlossen werden. Die Ehe kann aber auch vor der zuständigen Behörde geschlossen und gleichzeitig eingetragen werden.
(2) Die Eintragung der Eheschließung in die Register dient nur dem Nachweis einer zuvor geschlossenen Ehe; sie wirkt nur deklaratorisch.

AG Greifswald, Urteil vom 25. Januar 2010

Az.: 61 F 214/08
Fundstelle: IPRspr 2010, Nr. 85, 178-179

Themen: Wirksamkeit einer im Irak von Angehörigen der katholischen Ostkirchen geschlossenen Ehe

Leitsätze:
(1) Die Wirksamkeit der Eheschließung bestimmt sich gemäß Art. 13 EGBGB für jeden Verlobten nach dem Recht des Staates, dem er angehört. Der maßgebende Zeitpunkt für das Vorliegen der Eheschließungsvoraussetzungen ist der Zeitpunkt der Eheschließung.
(2) Ist der Verlobte zum Zeitpunkt der Eheschließung irakischer Staatsbürger, ist auf ihn i.V.m. Art. 19 des irakischen Zivilgesetzbuches von 1951 (ZGB) irakisches Recht anwendbar. Laut Art. 12 des Gesetzes zur Organisation der Religiösen Gerichte der christlichen und mosaischen Religionsgemeinschaften Nr. 32 von 1947 sind für Streitigkeiten über die Eheschließung religiöse Gerichte der jeweiligen anerkannten Religionsgemeinschaft zuständig. Für Rechtsstreitigkeiten bei Ehen zwischen Angehörigen unterschiedlicher, nicht-muslimischer Religionsgemeinschaften ist das religiöse Gericht zuständig, vor dem die Ehe geschlossen wurde, welches sein religiöses Recht anwendet.
(3) Wurde die Ehe in einer chaldäisch-katholischen Kirche geschlossen, bestimmt sich die Wirksamkeit der Eheschließung nach dem religiösen Recht der chaldäisch-katholischen Kirche, die dem am 18. Oktober 1990 erlassenen Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (CCEO) folgt. Nach can. 800 § 1 CCEO beträgt das Heiratsmindestalter der Ehefrau 14 Jahre. Nach can. 825 CCEO ist eine Ehe nichtig, die auf Grund von Zwang geschlossen wurde, wobei der Zwang physisch oder psychisch ausgeübt worden sein kann.


Rechtsgebiet: Auflösung einer Ehe

1. Scheidungsrecht

AG Otterndorf, Beschluss vom 28. September 2011

Az.: 7 F 226/11 S
Fundstelle: FamRZ 2012, 1140-1141

Themen: irakisches Scheidungsrecht

Leitsatz:
Haben beide Ehegatten die irakische Staatsangehörigkeit und sind sie weder als Asylbewerber noch als Flüchtlinge anerkannt, findet auf die Ehescheidung irakisches Sachrecht Anwendung.

2. Eheaufhebung

OLG Nürnberg, Beschluss vom 31. März 2011

Az.: 10 UF 1743/10
Fundstelle: FamFR 2011, 260
Verfahrensgang: vorgehend AG Regensburg, 4. November 2010, Az: 202 F 1346/10

Themen: Beweislast bei Eheaufhebung, Doppelehe, Ortsstatut nach irakischem Recht

Leitsätze:
(1) Wer die Aufhebung einer Ehe betreibt, trägt die Beweislast für das Vorliegen eines Aufhebungsgrundes.
(2) Das irakische Recht (Art. 19 Abs.1 irak. ZGB) knüpft die Frage der formellen Gültigkeit einer Eheschließung an das Ortsrecht an.


Rechtsgebiet: Kindschaftsrecht

1. Adoption

AG Stuttgart, Beschluss vom 13. März 2015

Az.: 29 F 1386/13
Fundstelle: BeckRS 2016, 05801

Themen: Anerkennungs- und Wirkungsfeststellung der Adoption eines Kindes im Irak, Adoptionsverfahren, Eltern-Kind-Verhältnis

Leitsatz: Die irakischen Rechtsinstitute der so genannten „Anfügung“ und „Anerkennung“ bei einem irakischen Kind qualifizieren sich für eine Volladoption des Kindes nach deutschem Recht

2. Sorgerecht

AG Otterndorf, Beschluss vom 28. September 2011

Az.: 7 F 226/11 S
Fundstelle: FamRZ 2012, 1140-1141

Themen: Sorgerechtsstatut bei gewöhnlichem Aufenthalt des irakischen Kindes in Deutschland

Leitsatz:
Sind im Irak geborene Kinder mit irakischer Staatsangehörigkeit weder als Asylbewerber noch als Flüchtlinge anerkannt und haben sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, so richtet sich die Sorgerechtsentscheidung nach dem KSÜ und somit nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes, hier dem deutschem Recht.


Rechtsgebiet: Namensrecht

OLG Nürnberg, Beschluss vom 31. März 2015

Az.: 11 W 2502/14
Fundstelle: StAZ 2016, 20-22

Themen: Namensstatut, Transliteration

Leitsätze:
(1) Das Namensstatut beherrscht auch die sprachliche Form und die Schreibweise des Namens.
(2) Verwendet der Heimatstaat keine lateinische Schrift, sind die fremden Schriftzeichen grundsätzlich mit Hilfe der ISO-Transliterationsnormen durch gleichwertige lateinische Schriftzeichen wiederzugeben.
(3) Ergibt sich die lateinische Schreibweise jedoch aus einer Personenstandsurkunde oder einer anderen öffentlichen Urkunde des Heimatstaats (z. B. Reisepass), so ist die dort verwendete Schreibweise maßgebend. Die Urkunde des Heimatstaats ist zumindest dann gegenüber einem bereits abgeschlossenen Personenstandseintrag vorrangig, wenn die Angabe in der Urkunde nicht Folge eines Sachverhalts ist, der zu einer Änderung des Namens geführt hat.

OLG München, Beschluss vom 17. September 2014

Az.: 31 Wx 348/14
Fundstelle: StAZ 2015, 58-59

Themen: Wahl des Familiennamens nach Einbürgerung eines irakischen Staatsbürgers

Leitsätze:
(1) Personen, die nach irakischem Recht nur einen aus ihrem Vornamen, dem ihres Vaters und ihres Großvaters väterlicherseits gebildeten Namen, nicht aber einen Bei- oder Zunamen (laqab) geführt haben, können einen Familiennamen wählen, wenn sich ihr Name nunmehr nach deutschem Recht richtet.
(2) Ein irakischer Staatsbürger kann dann einen Familiennamen nach deutschem Recht wählen, nachdem er eingebürgert wurde, wenn er bisher nach anwendbarem irakischem Recht keinen Familiennamen geführt hat.

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