Abstammungs- und Sorgerecht aller Afghanen (außer Schiiten)

Die folgenden Bestimmungen finden grundsätzlich auf Afghanen aller Religionszugehörigkeiten Anwendung, mit Ausnahme schiitischer Muslime, die dem schiitischen Personalstatutsgesetz v. 2009 unterliegen.



Zivilgesetzbuch v. 1977 (ZGB)1

 

Kapitel 2: Personen
Teil 1: Natürliche Personen
Titel 10: Kindschaftsrecht

Untertitel 3: Die Personensorge (Art. 236–255)


Art. 236
(1) Unter Personensorge versteht man die Betreuung (hefâzat) und Erziehung (parvaresh) des Kindes, solange das Kind der Pflege und Erziehung durch eine Frau bedarf.
(2) Die Personensorge steht den Personen zu, die in diesem Gesetz bestimmt sind.

Art. 237
Die leibliche Mutter hat während der Ehe und nach der gerichtlichen Scheidung/Trennung bei der Betreuung und Erziehung des Kindes Vorrang, sofern sie die Voraussetzungen für die Personensorge erfüllt.

Art. 238
Eine Frau, die die Personensorge für das Kind übernimmt, muss geistig reif, volljährig und vertrauenswürdig sein, so dass nicht zu befürchten ist, dass das Kind wegen mangelhafter Versorgung einen Schaden erfährt. Sie muss in der Lage sein, das Kind zu betreuen und zu erziehen.

Art. 239
Die personensorgeberechtigten Frauen sind in der folgenden Reihenfolge zur Personensorge berufen:

  • 1 – die Mutter, die Mutter der Mutter usw. in aufsteigender Linie.
  • 2 – die Mutter des Vaters.
  • 3 – die vollbürtige Schwester.
  • 4 – die Halbschwester mütterlicherseits.
  • 5 – die Halbschwester väterlicherseits.
  • 6 – die Tochter der vollbürtigen Schwester.
  • 7 – die Tochter der Halbschwester mütterlicherseits.
  • 8 – die Tochter der Halbschwester väterlicherseits.
  • 9 – die vollbürtige Schwester der Mutter.
  • 10 – die Halbschwester der Mutter mütterlicherseits.
  • 11 – die Halbschwester der Mutter väterlicherseits.
  • 12 – die vollbürtige Schwester der Mutter des Vaters.
  • 13 – die Halbschwester der Mutter des Vaters mütterlicherseits.
  • 14 – die Halbschwester der Mutter des Vaters väterlicherseits.
  • 15 – die Tante der Mutter väterlicherseits.
  • 16 – die Tante des Vaters väterlicherseits.

Art. 240
Sind die in Artikel 239 dieses Gesetzes genannten Personen nicht vorhanden oder erfüllen sie nicht die Voraussetzungen für die Ausübung der Personensorge, geht die Personensorge auf Agnaten über, in der Reihenfolge, wie sie zum Erbrecht berufen sind.

Art. 241
Sind die in den Artikeln 239 und 240 dieses Gesetzes erwähnten Personen nicht vorhanden oder erfüllen sie nicht die Voraussetzungen für die Ausübung der Personensorge, wird das Kind wie folgt in die Obhut der Verwandten, die mit dem Kind in einem die Eheschließung ausschließenden Grad verwandt sind, gegeben:

  • 1 – der Vater der Mutter.
  • 2 – der Halbbruder mütterlicherseits.
  • 3 – der Sohn des Halbbruders mütterlicherseits.
  • 4 – der Halbbruder des Vaters mütterlicherseits.
  • 5 – Der (vollbürtige) Bruder der Mutter.
  • 6 – der Halbruder der Mutter väterlicherseits.
  • 7 – der Halbbruder der Mutter mütterlicherseits.

Ist das Kind männlich, haben die Tochter des Bruders des Vaters, die Tochter der Schwester des Vaters, die Tochter des Bruders der Mutter und die Tochter der Schwester der Mutter kein Recht, die Personensorge auszuüben. Ist das Kind weiblich, haben der Sohn des Bruders des Vaters, der Sohn der Schwester des Vaters, der Sohn des Bruders der Mutter und der Sohn der Schwester der Mutter kein Recht, die Personensorge auszuüben.

Art. 242
Gibt es mehr als eine sorgeberechtigte Person, kann das Gericht diejenige als personensorgeberechtigt bestimmen, die dem Kindeswohl des Kindes am besten entspricht.

Art. 243
Entfällt die Personensorge aus einem rechtlichen Grund, wird sie mit der Beseitigung des Grundes wiederhergestellt.

Art. 244
Die Vergütung für die Ausübung der Personensorge besteht neben der Vergütung für das Stillen und dem Unterhalt und ist vom Vater zu leisten. Verfügt das Kind über persönliches Vermögen, ist die Vergütung für die Ausübung der Personensorge daraus zu leisten, es sei denn, der Vater leistet sie freiwillig.

Art. 245
(1) Solange die Mutter verheiratet ist oder sich in der Wartezeit nach einer widerruflichen Verstoßungsscheidung befindet, hat sie keinen Anspruch auf eine Vergütung für die Ausübung der Personensorge.
(2) Befindet die Frau sich in der Wartezeit nach einer unwiderruflichen Verstoßungsscheidung oder hat sie einen Mann geheiratet, der mit dem Kind in einer die Eheschließung ausschließenden Weise verwandt ist, oder befindet sie sich in der Wartezeit nach der Scheidung von ihm, hat sie Anspruch auf eine Vergütung für die Ausübung der Personensorge.

Art. 246
Ist die Person, der die Leistung der Vergütung für die Ausübung der Personensorge obliegt, leistungsunfähig und übernimmt einer der Verwandten die Personensorge unentgeltlich, hat die Personensorgeberechtigte die Wahl, entweder [selbst] die Personensorge unentgeltlich zu übernehmen oder die Personensorge dem Verwandten zu überlassen, der die Personensorge unentgeltlich übernommen hat.

Art. 247
Ist die Person, der die Leistung der Vergütung für die Ausübung der Personensorge obliegt, vermögend und besitzt auch das Kind Vermögen, ist das Kind der Mutter gegen eine übliche Vergütung zu übergeben, auch wenn diese Vergütung aus dem Vermögen des Kindes geleistet wird.

Art. 248
Ist die Ehefrau ungehorsam und hat das Kind das fünfte Lebensjahr vollendet, kann das Gericht das Kind dem Elternteil übergeben, dessen Personensorge dem Kindeswohl am besten entspricht.

Art. 249
Die Personensorge endet für den Sohn mit der Vollendung des siebten und für die Tochter mit der Vollendung des neunten Lebensjahres.

Art. 250
Das Gericht kann die in Artikel 249 dieses Gesetzes genannte Dauer der Personensorge verlängern, sofern die Verlängerung die Dauer von zwei Jahren nicht überschreitet.

Art. 251 (ÄndG Nr. 77/1986 v. 1.7.1986)
(1) Wird nachgewiesen, dass die sorgeberechtigte Person, auch wenn es sich um den Kindsvater handelt, das Kindeswohl nicht verwirklicht, kann das Gericht das Kind einer Person anvertrauen, die in der Reihenfolge in der zweiten Stufe berechtigt ist.
(2) Verfügt auch die Person, die auf der zweiten Stufe des Sorgerechts steht, nach richterlicher Beurteilung nicht über die gesetzlichen Voraussetzungen, um für eine gesunde Entwicklung und Erziehung des Kindes zu sorgen, kann das Gericht das Kind einer geeigneten Person, die zustimmt, oder einer Kindererziehungseinrichtung übergeben.

Art. 252
Solange die Mutter [mit dem Vater] verheiratet ist oder sich in der Wartezeit nach einer Verstoßungsscheidung von ihm befindet, darf sie ohne seine Zustimmung nicht mit dem Kind verreisen.

Art. 253
Eine andere sorgeberechtigte Person als die Mutter darf nicht ohne Zustimmung des gesetzlichen Vormunds mit dem Kind verreisen.

Art. 254
Der Kindsvater darf während der Dauer der Personensorge ohne Zustimmung der sorgeberechtigten Person nicht mit dem Kind verreisen.

Art. 255
Der Unterhalt einer Frau, die keinen Ehemann hat und nicht in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, ist von ihrem gesetzlichen Vormund zu leisten, solange die Frau in seiner Wohnstätte wohnt.


 



1 Zivilgesetzbuch [qânûn-e madanî], Gesetzblatt Nr. 353 v. 5.1.1977, idF der Änderungsgesetze.

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