Eherecht schiitischer Afghanen

Die folgenden Bestimmungen finden auf alle schiitisch-muslimischen Afghanen Anwendung, Angehörige aller anderen Religionsgemeinschaften unterliegen grundsätzlich dem Zivilgesetzbuch v. 1977.

 


Schiitisches Personalstatutsgesetz v. 2009 (afgh.-schiit. PSG)1

 

Abschnitt 2: Die Familie
Kapitel 5: Ehewirkungen (Art. 104–125)

 


Definition und Arten der Brautgabe

Art. 104
(1) Die Brautgabe ist ein Vermögenswert, den der Mann aufgrund der Eheschließung an die Ehefrau leistet oder überträgt [wörtl.: ausführt]. Verpflichtet er sich anlässlich der Eheschließung, an den Vater oder einen Dritten einen Vermögenswert zu übertragen, begründet dies keine Leistungsverpflichtung [wörtl.: ist er dazu nicht verpflichtet].
(2) Es gibt vier Arten der Brautgabe:

  • 1 – Die bestimmte Brautgabe, welche ein Vermögenswert ist, der im gegenseitigen Einvernehmen der Ehegatten bestimmt wird.
  • 2 –Die übliche Brautgabe, welche ein Vermögenswert ist, bei dessen Bestimmung das Ansehen der Frau, ihre Familie und ihre sonstigen Eigenschaften im Verhältnis zu ihren Verwandten und Bekannten sowie regionale Sitten und Bräuche und dergleichen berücksichtigt werden.
  • 3 –Die Brautgabe nach Leistungsfähigkeit, welche ein Vermögenswert ist, bei dessen Bestimmung die finanziellen Verhältnisse des Mannes berücksichtigt werden.
  • 4 – Die traditionelle Brautgabe, die aus fünfhundert Silberdirhams besteht, wobei jeder Dirham achtzehn [Silber-]Bohnen entspricht. Die Leistung der üblichen und der traditionellen Brautgabe sowie der Brautgabe nach Leistungsfähigkeit werden nach Maßgabe dieses Gesetzes bestimmt.

(3) Die Leistung der Brautgabe kann in zwei Teilen (ein sofort fälliger Teil und ein gestundeter Teil) bestimmt werden.

(4) Eine Brautgabe, die der Mann zu leisten nicht imstande ist, ist nichtig. Es wird fingiert, dass gar keine Brautgabe bestimmt wurde.


Gegenstand der Brautgabe

Art. 105
(1) Folgende Gegenstände können als Brautgabe vereinbart werden, wenn sie nachfolgende Voraussetzungen erfüllen:

  • 1 – Sie müssen einen wirtschaftlichen Wert haben, unabhängig davon, ob sie eine Sache, einen Nutzen, eine Handlung oder ein Vermögensrecht umfassen, wie den Nießbrauch, oder einen Verzicht auf ein Recht, wie die Verpflichtung, kein mehrstöckiges Haus zu bauen.
  • 2 – An ihnen muss Eigentum erworben werden können. Alkohol, Schweinefleisch und Ähnliches dürfen nicht Gegenstand der Brautgabe sein; sind solche Gegenstände als Brautgabe vereinbart, ist nach Vollzug der Ehe die übliche Brautgabe geschuldet.
  • 3 –Sie müssen bestimmt sein, es sei denn, ihre Bestimmung wurde einem der Ehegatten oder einem Dritten übertragen. Ist die Brautgabe vorhanden, genügt eine Inaugenscheinnahme selbiger, selbst wenn ihr Gewicht, ihre Menge und ihr Preis nicht bestimmt sind.
  • 4 – Sie müssen [sachenrechtlich] übertragbar sein.

(2) Entspricht die bestimmte Brautgabe nicht den in Absatz 1 dieses Artikels genannten Voraussetzungen, hat die Ehefrau im Falle der Verstoßungsscheidung nach Vollzug der Ehe Anspruch auf die übliche Brautgabe.
(3) Hat der Ehemann das Vermögen eines Dritten als Brautgabe bestimmt und hat der Eigentümer dies nicht genehmigt, hat die Ehefrau Anspruch auf eine vergleichbare Sache oder deren Wert.
(4) Ist die Brautgabe eine bestimmte Sache und geht diese vor der Eheschließung oder vor Übergabe unter, ist die Ehefrau berechtigt, eine vergleichbare Sache und, sollte dies nicht möglich sein, deren Wert zu fordern. Ist die bestimmte Brautgabe mangelhaft, ist die mangelhafte Sache zusammen mit dem entsprechenden Schadensersatz geschuldet.


Eigentum an der Brautgabe

Art. 106
(1) Die Ehefrau wird mit der Eheschließung Eigentümerin der gesamten Brautgabe, eine Hälfte in Form der sofort fälligen Brautgabe und eine Hälfte in gestundeter Form, und sie hat das Recht, die Brautgabe zu fordern, es sei denn, es ist für ihre Leistung eine Frist und Ratenzahlungen bestimmt worden oder es ist etwas anderes vereinbart worden.
(2) Die Ehefrau kann bis zur vollständigen Übergabe der Brautgabe, selbst wenn der Ehemann leistungsunfähig ist, die Erfüllung ihrer ehelichen Pflichten verweigern, vorausgesetzt, dass vor der Geltendmachung der Brautgabe kein ehelicher Geschlechtsverkehr stattgefunden hat und ihre Brautgabe nicht gestundet ist. Der Vollzug der Ehe vor dem Erreichen der Geschlechtsreife lässt ihr Recht auf Verweigerung unberührt.
(3) Ist die Brautgabe gestundet und verweigert die Ehefrau bewusst bis zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit den Vollzug der Ehe, erlischt ihr Recht auf Verweigerung.


Bestimmung der Brautgabe bei Eheschließung

Art. 107
(1) Mit der Bestimmung der Brautgabe bei der Eheschließung und dem Vollzug der Ehe ist der Ehemann verpflichtet, die bestimmte Brautgabe zu leisten; verstößt der Ehemann die Ehefrau vor Vollzug der Ehe, hat sie Anspruch auf die Hälfte der bestimmten Brautgabe.
(2) Hat die Ehefrau die gesamte Brautgabe erhalten und hat sie diese verbraucht oder untergehen lassen, ist – sofern die Ehefrau vor Vollzug der Ehe verstoßen wird – die Hälfte des Wertes der Brautgabe zurückzuerstatten. Weicht ihr Wert bei der Eheschließung vom Wert bei Übergabe ab, ist der geringere Wert zu leisten.
(3) Die abtrennbaren Früchte und Erzeugnisse der Brautgabe gehören bei Verstoßung der Ehefrau vor Vollzug der Ehe der Ehefrau, aber der Ehemann kann die Hälfte des nicht abtrennbaren Zuwachses fordern. Wird die Brautgabe, die im Gewahrsam der Ehefrau ist, mangelhaft, kann die Hälfte des Wertes und der Sache herausverlangt werden. Ist aber die Brautgabe ein trächtiges Tier oder ein fruchttragender Baum, gehören dem Ehemann ebenso die Hälfte der abtrennbaren Früchte und Erzeugnisse.


Erhöhung und Minderung der Brautgabe

Art. 108
Erhöht sich im Zeitraum zwischen Eheschließung und Verstoßung vor Vollzug der Ehe der Wert der bestimmten Brautgabe durch eine Handlung der Ehefrau, ist ihr diese Werterhöhung zuzuweisen; erhöht oder verringert sich der Wert aber aufgrund von allgemeinen Preisschwankungen, ist dies dem Ehemann zuzuweisen.


Erlass der Brautgabe

Art. 109
Erlässt die Ehefrau vor Vollzug der Ehe dem Ehemann die Brautgabe oder schenkt sie ihm die Brautgabe, ist die Ehefrau2 im Falle der Verstoßung [dennoch] berechtigt, die Hälfte der Brautgabe zu fordern.


Anspruch auf die Brautgabe

Art. 110
(1) Wird die Ehe, aus welchem Grund auch immer, nach Vollzug annulliert, hat die Ehefrau Anspruch auf die gesamte bestimmte Brautgabe.
(2) Wird die Ehe, aus welchem Grund auch immer, vor Vollzug annulliert, hat die Ehefrau keinen Anspruch auf die Brautgabe, es sei denn, die Eheannullierung erfolgt aufgrund von Impotenz oder Apostasie des Mannes, in diesem Fall hat die Ehefrau Anspruch auf die Hälfte der bestimmten Brautgabe.
(3) Hat die Ehefrau den Ehemann bei der Eheschließung arglistig getäuscht und wird die Ehe deswegen nach Vollzug annulliert, hat die Ehefrau keinen Anspruch auf die Brautgabe. Wurde der Ehemann aber von einem Dritten arglistig getäuscht, hat die Ehefrau Anspruch auf die Brautgabe und der Ehemann kann vom Dritten den Ersatz des Schadens verlangen.
(4) Wird die Ehe durch den Tod eines der beiden Ehegatten vor Vollzug aufgelöst, hat die Ehefrau Anspruch auf die Hälfte der bestimmten Brautgabe. Wurde aber bei der Eheschließung keine Brautgabe bestimmt, hat die Frau hierauf keinen Anspruch.
(5) Wurde die Ehe während der Krankheit des Ehemannes geschlossen, hat die Ehefrau im Falle des Todes eines der beiden Ehegatten vor Vollzug der Ehe keinen Anspruch auf die Brautgabe.
(6) Im Falle der Nichtigkeit der Ehe aufgrund eines Eheverbotes hat die Ehefrau vor Vollzug der Ehe keinen Anspruch auf die Brautgabe; nach Vollzug der Ehe hat sie Anspruch auf die übliche Brautgabe. Hatte die Frau jedoch Kenntnis von der Nichtigkeit der Eheschließung, hat sie keinen Anspruch auf die Brautgabe.


Das Nichtbestimmen der Brautgabe bei Eheschließung

Art. 111
(1) Eine Eheschließung ist trotz fehlender Bestimmung einer Brautgabe wirksam und die Ehegatten können die Brautgabe vor Vollzug der Ehe im gegenseitigen Einverständnis bestimmen. Nach Vollzug der Ehe hat die Ehefrau Anspruch auf die übliche Brautgabe.
(2) Verändert sich die [übliche Höhe der] übliche[n] Brautgabe im Zeitraum zwischen Eheschließung und Vollzug der Ehe, ist der Zeitpunkt des Vollzugs für die Bestimmung der üblichen Brautgabe maßgeblich.
(3) Bei fehlender Bestimmung der Brautgabe kann die Ehefrau bis zur Bestimmung ihrer Höhe und bis zu ihrer Übergabe die Erfüllung ihrer ehelichen Pflichten verweigern.
(4) Wird die Ehe durch Verstoßung, Apostasie oder Impotenz des Mannes vor Vollzug aufgelöst, hat die Ehefrau bei fehlender Bestimmung der Brautgabe Anspruch auf die Brautgabe nach Leistungsfähigkeit. Wird aber die Ehe durch den Tod eines der beiden Ehegatten oder durch Apostasie oder einen Mangel seitens der Frau aufgelöst, hat die Ehefrau bei fehlender Bestimmung der Brautgabe, vor und nach der Eheschließung, vor Vollzug der Ehe keinen Anspruch auf die Brautgabe.
(5) Ist die Ehe aufgrund von Eheverboten vor Vollzug [der Ehe] unwirksam, steht der Ehefrau bei fehlender Bestimmung der Brautgabe nichts zu, nach Vollzug [der Ehe] hat sie jedoch Anspruch auf die übliche Brautgabe, vorausgesetzt, diese übersteigt nicht fünfhundert Dirham. Hat die Ehefrau jedoch Kenntnis von dem Eheverbot, so hat sie keinen Anspruch auf die Brautgabe.


Vereinbarung bei Eheschließung, eine Brautgabe nicht zu bestimmen

Art. 112
Die Vereinbarung bei Eheschließung, die Brautgabe vollständig auszuschließen, ist nichtig und führt zur Nichtigkeit der Ehe, aber die Vereinbarung, keine bestimmte Brautgabe festzulegen, ist zulässig und entspricht dem Fall, dass keine Brautgabe vereinbart wurde. Wird aber nach Vollzug der Ehe vereinbart, dass die übliche Brautgabe nicht geleistet werden soll, ist sowohl die Vereinbarung als auch die Ehe nichtig.


Übertragung des Rechts, die Brautgabe zu bestimmen

Art. 113
(1) Wird das Recht zur Bestimmung der Höhe der Brautgabe dem Ehemann oder einem Dritten übertragen, können diese ihre Höhe bestimmen. Wurde aber das Recht zur Bestimmung der Brautgabe der Ehefrau überlassen, kann sie ohne Zustimmung des Ehemannes nicht mehr als die traditionelle Brautgabe festlegen.
(2) Wurde das Recht zur Bestimmung der Brautgabe dem Ehemann oder der Ehefrau überlassen und sterben diese vor Bestimmung der Brautgabe und vor Vollzug der Ehe, hat die Ehefrau Anspruch auf die Brautgabe nach Leistungsfähigkeit. Wurde aber die Befugnis zur Bestimmung der Brautgabe einem Dritten überlassen und stirbt dieser vor Vollzug der Ehe, wird ein neuer Schlichter bestimmt oder die Ehegatten bestimmen einvernehmlich die Brautgabe. Stirbt jedoch der Dritte nach Vollzug, hat die Ehefrau Anspruch auf die übliche Brautgabe.
(3) Verweigert die Person, der das Recht zur Bestimmung der Höhe der Brautgabe übertragen wurde, ihre Bestimmung, verpflichtet sie das Gericht zur Bestimmung der Brautgabe oder ernennt im Einvernehmen mit den Ehegatten einen neuen Schlichter oder die beiden Parteien [Anm. d. Übers.: Ehegatten] bestimmen im Einvernehmen die Höhe der Brautgabe.


Differenzen bezüglich der Brautgabe

Art. 114
(1) Hat der Ehemann der Ehefrau Vermögen in Höhe der Brautgabe übergeben und behauptet er, dies als Brautgabe geleistet zu haben, während die Ehefrau dies als Schenkung ansieht, sind folgende Umstände zu berücksichtigen:

  • 1 – Es wird zu Gunsten der Partei entschieden, die klare Gründe und Beweise vorlegt.
  • 2 – Legen beide Parteien Beweise vor, genießen die Beweise der Ehefrau Vorrang.
  • 3 –Können beide keine Beweise vorlegen, wird zu Gunsten des Ehemannes entschieden.

(2) Wurde die Höhe der Brautgabe bei der Eheschließung nicht bestimmt, hat aber die Ehefrau vor Vollzug der Ehe eine Sache vom Ehemann erhalten, gilt diese Sache als ihre Brautgabe.
(3) Stirbt die Ehefrau oder wird sie verstoßen, und ist die Brautgabe gestundet, kann die Brautgabe vor Fälligkeit nicht eingefordert werden, aber mit dem Tod des Ehemannes gilt die gestundete Brautgabe als fällig.
(4) Bei Differenzen über die sofortige Fälligkeit und die Stundung der Brautgabe ist derjenige, der die Stundung behauptet, beweisbelastet, andernfalls wird die sofortige Fälligkeit durch Eid angenommen.


Leistung der Brautgabe durch den Vertreter

Art. 115
Verheiratet eine Person, die behauptet, der Vertreter des Mannes zu sein, eine Frau mit diesem, stirbt aber der Mann nach der Eheschließung, ist der Vertreter, falls die Erben seine Vertretungsmacht abstreiten und kein hinreichender Grund für den Nachweis [seiner Vertretungsmacht] vorliegt, verpflichtet, die Brautgabe der Ehefrau nach den Maßgaben dieses Gesetzes zu leisten.


Differenzen bezüglich Bestimmung und Übergabe der Brautgabe

Art. 116
(1) Bei Differenzen der Ehegatten über die Bestimmung oder Nichtbestimmung der Brautgabe ist diejenige Person, die behauptet, die Brautgabe sei bestimmt worden, beweisbelastet. Andernfalls wird der unter Eid vorgebrachten Behauptung derjenigen Person gefolgt, die die Bestimmung abstreitet. Bei Differenzen über die Übergabe der Brautgabe ist derjenige, der behauptet, sie sei übergeben worden, beweisbelastet. Andernfalls wird der unter Eid vorgebrachten Behauptung desjenigen, der dies abstreitet, Priorität eingeräumt.
(2) Behauptet der Ehemann, von der Brautgabe befreit zu sein oder sie bereits geleistet zu haben, und bestreitet die Ehefrau dies oder behauptet sie, dass ihr mehr zustehe, und behauptet der Ehemann, dass es weniger sei, ist derjenige, der behauptet, von der Brautgabe befreit zu sein oder diese bereits geleistet zu haben, und derjenige, der behauptet, ihm stünde mehr zu, beweisbelastet. Andernfalls wird der unter Eid vorgebrachten Behauptung desjenigen, der dies abstreitet, Priorität eingeräumt.


Bestimmung des Eigentums eines Dritten als Brautgabe

Art. 117
Ist der Gegenstand der Brautgabe bestimmt worden, wird aber bei der Eheschließung zum Schein das Eigentum eines Dritten als Brautgabe benannt und [dabei] die erste Brautgabe nicht beabsichtigt, ist die Vereinbarung über die Brautgabe nichtig und es ist so zu verfahren, als wäre keine Brautgabe bestimmt worden. War die Absicht der Parteien zum Zeitpunkt der Eheschließung auf die erste Sache gerichtet, gilt diese als die Brautgabe.


Fälle, in denen eine übliche Brautgabe zu leisten ist

Art. 118
In den unten genannten Fällen entsteht die Pflicht, eine übliche Brautgabe zu leisten:

  • 1 – wenn eine Person den Verlust der Jungfräulichkeit eines Mädchens, wodurch auch immer, verursacht hat.
  • 2 – wenn mit einer psychisch Kranken oder einer Minderjährigen außerehelich verkehrt wurde.
  • 3 – wenn mit einer Frau außerehelich verkehrt wurde, die keine Kenntnis vom Verbot des außerehelichen Verkehrs hatte.


Die Art der Leistung der Brautgabe

Art. 119
(1) Ist die Brautgabe in der Landeswährung, in einer fremden Währung oder in Gold bestimmt, können die Parteien ihren Wert unter Berücksichtigung der Differenz zwischen dem Jahreswert zum Zeitpunkt ihrer Leistung und dem Jahreswert zum Zeitpunkt der Eheschließung berechnen. Andernfalls [Anm. d. Übers.: Ist die Brautgabe weder in Geld noch Gold bestimmt] wird sich über die Wertdifferenz geeinigt.
(2) Ist die Brautgabe gestundet, wird sie mit dem Wert jenes Jahres berechnet, in dem sie fällig wird. Andernfalls [Anm. d. Übers.: Ist die Brautgabe nicht gestundet] vergleichen sich die Parteien über die Differenz.


Unterhalt

Art. 120
Der Unterhalt der Ehefrau obliegt nach Maßgabe dieses Gesetzes dem Ehemann.


Mitgift

Art. 121
(1) Die Mitgift bezeichnet Haushaltsgegenstände, Kleidung und Sachen, die die Ehefrau aus ihrem Vermögen oder dem ihres Vaters in den gemeinsamen Haushalt mitbringt.
(2) Der Nießbrauch des Ehemannes an der Mitgift ist nicht unentgeltlich, es sei denn, die Ehefrau oder die Gewohnheit bestätigen seine Unentgeltlichkeit.
(3) Behauptet der Ehemann oder seine Gläubiger, dass sich ein bestimmtes Vermögen im Eigentum des Ehemannes befindet, wohingegen die Ehefrau behauptet, dass es Teil ihrer Mitgift ist, ist diejenige Person, die die Sache nicht in ihrem Besitz hat, beweisbelastet. Besitzen aber beide oder keiner die Sache, ist der Fall verfahrensrechtlich zu lösen, daher ist jeder von ihnen beweispflichtig.
(4) Behauptet einer der Ehegatten, die Mitgift sei untergegangen, wohingegen der andere dies bestreitet, ist diejenige Person, die behauptet, die Mitgift sei untergegangen, beweisbelastet. Andernfalls wird die unter Eid vorgebrachte Behauptung derjenigen Person, die den Untergang bestreitet, Grundlage der gerichtlichen Entscheidung.
(5) Hat der Ehemann vor der Hochzeit Vermögensgegenstände gekauft und diese in den Haushalt der Ehefrau überführt, sodass sie diese [nach der Hochzeit] mit in den gemeinsamen Haushalt bringt, werden die genannte Vermögensgegenstände dem Vermögen des Ehemannes zugerechnet, es sei denn, die Ehefrau beweist, dass die Vermögensgegenstände ihrem Vermögen zuzurechnen sind.


Gegenseitige Pflichten der Ehegatten

Art. 122
(1) Die Ehegatten sind verpflichtet, die religiösen und gesetzlichen ehelichen Pflichten zu erfüllen und einander und ihren Eltern und Verwandten mit Wohlwollen zu begegnen.
(2) Die Ehegatten sind verpflichtet, in der Festigung der Familie und der Erziehung der Kinder zusammenzuarbeiten und einander zu unterstützen.
(3) Die Ehegatten sind verpflichtet, Handlungen, die zu Abneigung und Abscheu einander gegenüber führen, zu vermeiden.
(4) Die Ehefrau ist verpflichtet, diejenigen Haushaltsangelegenheiten zu verwalten und durchzuführen, die ihr seitens des Ehemannes bei der Eheschließung zur Bedingung gemacht wurden. Andernfalls ist sie nicht zur Haushaltsführung verpflichtet.


Gegenseitige Rechte der Ehegatten

Art. 123
(1) Die Aufsicht über die Familie ist das Recht des Ehemannes, es sei denn, dieses Recht wird durch das Gericht aufgrund geistigen Unvermögens des Ehemannes auf die Ehefrau übertragen.
(2) Die Ehefrau ist befugt, die eheliche Wohnung aus religiös zulässigen Gründen und zu üblichen Zwecken zu verlassen. Ehemann und Ehefrau können einander von Handlungen, die der dem islamischen Recht und dem Gesetz widersprechen, abhalten und im Streitfall entscheidet das Gericht.
(3) Ist die Ehefrau erwerbstätig, ist ihr Arbeitslohn ihr zuzuordnen.
(4) Die Ehefrau ist Eigentümerin ihres eigenen Vermögens und kann, ohne dass es der Erlaubnis des Ehemanns bedarf, darüber frei verfügen.


Vertragliche Vereinbarungen bei Eheschließung

Art. 124
(1) Vertragliche Vereinbarungen bei Eheschließung sind den Ehevertrag ergänzende Verpflichtungen.
(2) Ist eine bei Eheschließung vereinbarte Bedingung unmöglich, nutzlos oder verstößt sie gegen das islamische Recht und das Gesetz, ist diese Bedingung nichtig und die Eheschließung wirksam, es sei denn, es ist ausdrücklich der Ausschluss der Brautgabe vereinbart worden, wodurch die Ehe nichtig wird.
(3) Vertragliche Bedingungen, die dem Wesen der Ehe widersprechen, sind nichtig und führen zur Nichtigkeit der Ehe. Eine Bedingung gilt dann als dem Wesen der Ehe widersprechend, wenn sie dem Inhalt oder den Folgen der Ehe zuwiderläuft, so etwa die Bedingung, niemals sexuell miteinander zu verkehren.
(4) Die Ehefrau kann dem Ehemann die Einhaltung folgender Bedingung auferlegen:

  • 1 – das Unterlassen einer [weiteren] Eheschließung mit einer anderen Frau, ob als Dauer- oder Zeitehe.
  • 2 – die Übertragung der Wahl der Wohnstätte an die Ehefrau.
  • 3 – die Übertragung einer Vollmacht zur Scheidung an die Ehefrau, entweder uneingeschränkt oder in den folgenden Fällen:
    • - bei Nichtleistung des Unterhalts, mit der Folge, dass die Ehefrau Härte und Bedrängnis ausgesetzt wird.
    • - bei Verurteilung des Ehemannes zu einer langen Freiheitsstrafe.
    • - bei Erkrankung des Ehemannes an einer schwer zu behandelnden Krankheit.
    • - bei Abwesenheit des Ehemannes für jede bedungene Dauer.

(5) Die Frau kann bei der Eheschließung bedingen, dass sie, sofern sie kein Verlangen nach Geschlechtsverkehr hat, diesen verweigern darf, selbst wenn der Ehemann danach Verlangen hat. Auch im Falle von Bedrängnis, Schwierigkeiten und Schaden [durch] den Geschlechtsverkehr kann die Frau diesen bedingungslos verweigern.
(6) Bedingungen, wonach die Ehe außer in den in diesem Gesetz genannten Fällen annulliert oder aufgelöst werden kann, sind nichtig.
(7) Wird bei der Eheschließung das Tun oder Unterlassen einer Handlung eines Dritten mit seiner Zustimmung zur Bedingung gemacht, ist der Dritte im Falle der Pflichtverletzung zum Ersatz des Schadens verpflichtet.


Differenzen in Bezug auf die Eheschließung

Art. 125
(1) Entstehen zwischen den Ehegatten Differenzen bezüglich einer Bedingung oder anderer [vereinbarter] Folgen der Eheschließung, ist diejenige Person, die eine Behauptung aufstellt, beweisbelastet. Andernfalls wird die unter Eid vorgebrachte Behauptung derjenigen Person, die dies bestreitet, Grundlage der gerichtlichen Entscheidung.
(2) Behauptet eine Person, mit einer anderen Person die Ehe geschlossen zu haben, und bestreitet die andere Person dies, ist diejenige Person, die die Behauptung aufstellt, beweisbelastet. Andernfalls wird die unter Eid vorgebrachte Behauptung derjenigen Person, die dies bestreitet, Grundlage der gerichtlichen Entscheidung. Erkennt diejenige Person, die die Eheschließung bestritten hat, nach Urteilsverkündung [den Bestand der Ehe] an und hat sie einen triftigen Grund für die vorangegangene Bestreitung, wird der Bestand der Ehe gerichtlich bestätigt.
(3) Behauptet eine Frau, keinen Ehemann zu haben, kann eine Person, in der Annahme ihrer Aufrichtigkeit, ohne nachzuforschen mit dieser Frau die Ehe schließen. Behauptet die Frau nach der Eheschließung, mit jemand anderem [bereits] verheiratet zu sein, oder behauptet ein Dritter, mit ihr verheiratet zu sein, wird die [zweite] Ehe mit dem Beweis hierüber nichtig und gilt als Beiwohnung in der irrtümlichen Annahme des Bestehens einer Ehe. Ist die Ehe vollzogen, hat die Frau, die in Unkenntnis der Nichtigkeit der Ehe war, Anspruch auf die übliche Brautgabe.



 



1Gesetz über das Personalstatut der schiitischen Gemeinschaft [qânûn-e ahvâl-e shakhsiye-ye ahl-e tashayyo´], Gesetzblatt Nr. 988 v. 27.7.2009.

2 Im amtlichen Gesetzblatt lautet der Wortlaut: der Ehemann könne die Hälfte der Brautgabe fordern. Dies ist ganz offensichtlich ein Redaktionsfehler.

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