Eherecht schiitischer Afghanen
Die folgenden Bestimmungen finden auf alle schiitisch-muslimischen Afghanen Anwendung, Angehörige aller anderen Religionsgemeinschaften unterliegen grundsätzlich dem Zivilgesetzbuch v. 1977.
Schiitisches Personalstatutsgesetz v. 2009 (afgh.-schiit. PSG)1
Abschnitt 2: Die Familie
Kapitel 2: Die Brautwerbung und das Verlöbnis (Art. 74–80)
Die Brautwerbung (khâstgârî)
Art. 74
(1) Eine Brautwerbung ist das Anbot eines Mannes an eine Frau, mit ihm die Ehe zu schließen. Es unterliegt den folgenden Voraussetzungen:
- 1 – Die Frau muss frei von Eheverboten sein und darf sich nicht in einer Wartezeit befinden.
- 2 – Die Frau und der Mann oder die Person, die das Anbot im Namen des Mannes macht oder im Namen der Frau annimmt, müssen geschäftsfähig sein.
- 3 – Die Frau, um die geworben wird, darf nicht mit jemand anderem verlobt sein. Wird dennoch um sie geworben und wird die Ehe geschlossen, ist die Eheschließung wirksam.
(2) Es ist verboten, um eine Frau, die sich in der Wartezeit nach einer widerruflichen Scheidung befindet, zu werben. Das konkludente Werben um eine Frau, die sich in der Wartezeit nach einer unwiderruflichen Scheidung befindet, ist zulässig.
Das Verlöbnis
Art. 75
Das Verlöbnis, oder das Eheversprechen, ist ein zulässiges Rechtsgeschäft, durch das ein Mann und eine Frau vereinbaren, miteinander die Ehe zu schließen.
Das Eheversprechen
Art. 76
Das Versprechen, die Ehe zu schließen, verpflichtet nicht dazu, die Ehe zu schließen, unabhängig davon, ob es als Nebenabrede in einem Vertrag oder in einem eigenständigen Vertrag verabredet wurde, selbst wenn eine Vertragsstrafe festgelegt worden ist und diese kann nicht gefordert werden. Tritt einer der Verlobten vom Verlöbnis zurück, kann der andere Verlobte diesen weder zur Eheschließung zwingen noch Schadensersatz verlangen.
Der gesellschaftliche Umgang der Verlobten
Art. 77
Der gesellschaftliche Umgang sowie den religiösen Konventionen konforme Beziehungen (das Führen von Unterhaltungen) sind zwischen den Verlobten im üblichen Umfang erlaubt, um das persönliche Umfeld, das Leben, und die Persönlichkeit des anderen kennenzulernen.
Kosten des Verlöbnisses
Art. 78
Widerruft einer der Verlobten das Verlöbnis ohne gesetzlichen oder sonstigen triftigen Grund nach der Annahme des Verlöbnisses, ist er/sie zur Zahlung der zur Vorbereitung der Eheschließung notwendigen Aufwendungen, die von der anderen Partei im Vertrauen auf die Eheschließung getätigt wurden, verpflichtet.
Rückforderung von Geschenken oder ihres Wertes
Art. 79
(1) Bei Widerruf des Verlöbnisses können Geschenke im Original oder in gleichwertiger Form oder ihr Wert unter den folgenden Voraussetzungen zurückgefordert werden:
- 1 – wenn verbrauchbare Geschenke bis zum Widerruf des Verlöbnisses nicht verbraucht wurden.
- 2 – wenn nicht verbrauchbare Geschenke, die üblicherweise aufbewahrt werden, nicht untergegangen sind. Sind sie indes verschuldet untergegangen, können sie zurückgefordert werden.
(2) Im Falle des Todes eines der Verlobten können verbrauchbare Geschenke, die verbraucht wurden, nicht zurückgefordert werden.
Austausch von Fotos und Briefen
Art. 80
(1) Fotos und Briefe, welche zwischen den Verlobten ausgetauscht wurden, gelten als nicht verbrauchbare Sachen und sind üblicherweise zu verwahren und im Falle einer Rückforderung herauszugeben.
(2) Die Verwendung von Briefen, Fotos und Gesprächsaufnahmen zum Zwecke der Schädigung und Erpressung der anderen Partei ist unzulässig.
1 Gesetz über das Personalstatut der schiitischen Gemeinschaft [qânûn-e ahvâl-e shakhsiye-ye ahl-e tashayyo´], Gesetzblatt Nr. 988 v. 27.7.2009.